„Margot Friedländer war eine der wichtigsten Mahnerinnen unserer Zeit gegen das Vergessen der Verbrechen des totalitären NS-Regimes. Als Überlebende des millionenfachen Massenmordes trat sie mit ihrer persönlichen Zeitzeugenschaft eindringlich für Verständigung, Toleranz und demokratische Werte ein“, sagte der Regierungschef am Montag in Wiesbaden. Friedländer, deren Vater aus Hessen stammte, überlebte den Nationalsozialismus im Konzentrationslager Theresienstadt und setzte sich bis ins hohe Alter hinein für die Aufklärung über die grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus und gegen das Vergessen ein. Sie war im Mai dieses Jahres im Alter von 103 Jahren gestorben.
Regierungschef Rhein nannte Friedländer „eine der prägendsten Stimmen für ein menschliches Miteinander“ und ergänzte: „Ihr unermüdlicher Einsatz und ihr Appell an Menschlichkeit und Verständnis sind ein herausragender Teil der Erinnerungskultur unseres Landes geworden. Ich bin sehr stolz darauf, Margot Friedländer posthum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille zu ehren, der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen.“ Der Vorstandsvorsitzende der Margot Friedländer Stiftung, Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer, wird die Medaille am 1. Dezember, dem Hessischen Verfassungstag, entgegennehmen.
Unermüdliche Vermittlerin und zugewandte Gesprächspartnerin
Der Ministerpräsident erinnerte an Margot Friedländers berührenden Aufruf „Seid Menschen!“ und bezeichnete ihn als Aufforderung, Brücken zu bauen, und als Einladung zur Versöhnung. „Mit Margot Friedländer hatte der deutsch-jüdische Dialog eine unermüdliche Kämpferin. Sie war eine zugewandte Gesprächspartnerin, der vor allem die junge Generation am Herzen lag, mit der sie ihre Erinnerung als Vermächtnis teilte“, sagte Rhein und fügte an: „Mit ihrem Wirken gegen das Vergessen und ihrem Einsatz für die Menschlichkeit hat sie sich ganz im Sinne Wilhelm Leuschners hervorragende Verdienste um die demokratische Gesellschaft erworben und sich in außergewöhnlicher Weise für Freiheit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt.“
Margot Friedländer wurde am 5. November 1921 in Berlin als Tochter des aus dem hessischen Langen stammenden Kaufmanns Arthur Bendheim und dessen Frau Auguste Gross geboren. Die jüdische Familie erlitt ab 1933 Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung durch den NS-Staat. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verschlechterten sich die Chancen auf eine Flucht ins sichere Ausland. Nach einer Gestapo-Razzia wurde Friedländers Bruder verhaftet. Ihre Mutter stellte sich der Polizei und wurde 1943 nach Auschwitz deportiert, wo beide ermordet wurden. Margot Friedländer selbst tauchte unter, wurde 1944 verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Dort traf sie ihren späteren Mann Adolf Friedländer wieder, den sie vom gemeinsamen Engagement im Jüdischen Kulturbund kannte. Nach ihrer Befreiung im Mai 1945 heirateten Margot und Adolf Friedländer und siedelten 1946 in die Vereinigten Staaten über. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1997 begann Margot Friedländer mit einer intensiven Erinnerungsarbeit. 2008 erschien ihre Autobiografie „Versuche, Dein Leben zu machen“, für die sie 2009 den Einhard-Preis der hessischen Einhard-Stiftung in Seligenstadt erhielt. 2010 kehrte Friedländer dauerhaft nach Berlin zurück und wurde zu einer prägenden Stimme gegen das Vergessen der NS-Verbrechen. Die von ihr 2023 ins Leben gerufene Margot Friedländer Stiftung setzt ihre Zeitzeugenarbeit für Toleranz und Menschlichkeit sowie gegen Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus fort.